September bis Dezember 2018 Februar 2019

Eine Zwischennutzung initiiert von Gabi Blum, assistiert von Paulina Nolte, ermöglicht und unterstützt durch die Baugenossenschaft München-West des Eisenbahnpersonals eG.
Das Kunsthaus Raab wird gefördert vom Bezirksausschuß 9 Neuhausen-Nymphenburg und vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München.


Kontakt / Facebook / Kalender / Info


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Donnerstags & Freitags immer offen von 13 – 19 Uhr
Donnerstags
immer Führung um 18 Uhr

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Die "Wittelsbacher Bierhalle" in der Donnersbergerstraße 15 nahm am 1. Februar 1913 den Betrieb auf. Als "Wiba", manchmal auch als "Neuhauser Mathäser" bezeichnet, wurde die Wittelsbacher Bierhalle, die über Nebenzimmer, einen Saal und eine Kegelbahn verfügte, eine der wichtigsten Gaststätten Neuhausens. In der Kegelbahn befanden sich auch Schießstände für den Schützenverein "Die Buren", die "Andechser Feuerschützen" und die "Schützenkameradschaft Siegfried"... Die Gaststätte wurde 1966 geschlossen. Seitdem befindet sich in den Räumlichkeiten das Schuhgeschäft "Raab".

Auszug aus der Festschrift zu 100 Jahre Baugenossenschaft München-West des Eisenbahnpersonals eG,
Text von Neuhauser Geschichtswerkstadt e.V.






Kunsthaus Raab

kurz erklärt

 

Das Kunsthaus Raab ist ein temporärer Ausstellungsraum ermöglicht und unterstützt durch die Baugenossenschaft München-West des Eisenbahnpersonals eG und initiiert von der Künstlerin Gabi Blum. Ausgehend von der Mieterinitiative www.baugenossenschaften-erhalten.de beschäftigt sich das Kunsthaus Raab unter anderem mit Leerstand und Raumnot, es thematisiert verschwundene oder nicht vorhandene, sowie frei erfundene, fiktive Räume und persifliert die explodierenden Preise. Themen wie Konsum oder Konsumverweigerung werden hinterfragt und begleitend zur ständig wachsenden Ausstellung gibt es ein Programm bestehend aus Workshops, Künstlervorträgen, Videoscreenings und sonntäglichen Matinées. Ein Blick in den Kalender auf der Webseite lohnt sich immer.

Das Kunsthaus – ehemals Schuhhaus und vormals Wirtshaus – spielt mit den Faktoren Zeit und Erinnerung, es bleibt im ständigen Prozess. Gezeigt wird hier vor allem performative, flüchtige sowie vergängliche Kunst. Verschiedene künstlerische Ansätze zum Thema Raumnutzung und Kontextverschiebung, sowie Formen des künstlerischen Widerstands, Arbeiten im Kollektiv, sowie Projekte die sich mit sozialen Gefügen befassen, werden präsentiert. Das Kunsthaus Raab gibt Kunst ein Zuhause, die sonst verschwinden würde und für die es keine Räume gibt. So kann man zum Beispiel Relikte von Performances ansehen und Begleitmaterial zu vergangenen Aktionen betrachten. Generell befasst sich das Kunsthaus Raab auch mit dem Verschwinden an sich und mit dem Thema der Archivbildung. Der soziale Anspruch des Kunsthaus Raab ist es, ein Treffpunkt für die Nachbarschaft zu sein und so bietet es, mit der Einrichtung eines Stammtisches in der Mitte des Raumes und in Anlehnung an die alte Zeit, die Möglichkeit sich zu treffen und auszutauschen.

Das Kunsthaus Raab ist flexibel und es will wachsen: Der leere ungenutzte Raum wird sich stetig füllen – je länger es geht desto voller wird es. Ähnlich einem Kabinett werden sich im Laufe der Zeit die einzelnen Ausstellungen und Überbleibsel mischen und final ein Gesamtkunstwerk und Zeitdokument bilden. Unter dem Einfluss aller da rein Kommenden und Teilnehmenden wird eine Art soziale Plastik entstehen. Wie es um die Zukunft des Raumes steht wissen wir leider auch nicht, aber wir freuen uns, wenn Sie ihr Feedback zum Projekt Kunsthaus Raab direkt an die Baugenossenschaft München-West des Eisenbahnpersonals und an uns weitergeben, vielleicht können wir ja gemeinsam etwas bewegen und einen Raum dieser Art dauerhaft für Neuhausen einrichten.

 

Das Kunsthaus Raab im Oktober: Bierflaschen, gefallener Kopf und zu große Ohren von Klasse Markus Oehlen, Wirtshaustisch von Hofbräuhaus,
Stühle aus dem ehemaligen Wirtshaus Zum Wolpertinger, Holzböden von Fischer Zelte, Foto: Stefane Barnes


 

Kunsthaus Raab zeigt Schmankerl


München, 6. Oktober 2018

Die Ausstellung Schmankerl zeigt 21 künstlerische Positionen von Künstlerinnen und Künstlern die in Neuhausen leben oder arbeiten. Darunter befinden sich ein paar ältere Hasen aber auch junge noch studierende Künstlerinnen sowie einige etablierte Künstler mittleren Alters. Manche der gezeigten Arbeiten wurden ortsspezifisch konzipiert und sind vom Raum inspiriert, andere wurden aus dem Oeuvre der Künstler ausgewählt, da sie thematisch zum Konzept des Kunsthaus Raab passen. So mischt sich Videokunst mit Aktionskunst, Relikte vergangener Aktionen werden neben fragilen Interventionen im Raum gezeigt, an der Decke schwebt ein Busenbesteck neben abstraktem Geweih, ein überlebensgroßes verschobenes Familienbildnis versteckt sich hinterm Vorhang, dazu gibt es gezeichnete Mandalas in gerahmten Burgerkartons und einen Radi. All das reiht sich ein neben die schrägen Objekte der Klasse Oehlen, die seit der ersten Eröffnung im Raum sind, denn genau das ist die Idee vom Raab: Die aktuelle Ausstellung wird nicht weggeräumt, sondern Kunst die dazu kommt integriert sich in die bestehende Ausstellung.

Zur Kunst dazu gesellt sich seit zwei Tagen auch eine Aloe Vera Pflanze, die eine Nachbarin mit Gehstock dem Raab schenkte, die Pflanze werde für ihre Wohnung zu groß („die Wohnungen sind ja so klein“). Auf diese und einige andere Arten wurde das Kunsthaus Raab in den letzten vier Wochen eine Anlaufstelle für mehrere hundert Besucher. Das Feedback ist durchweg positiv und die Nachbarschaft freut sich, dass dieses „Loch“ in der Donnersbergerstraße wieder lebendig geworden ist. Nach mehr als zwei Jahren Leerstand kann man hier wieder rein und dann auch noch die historische Wirtshausdecke wieder sehen. Ideen und Fantasie der Besucher überschlagen sich dann auch mal schnell – könnte man hier nicht wieder ein Wirtshaus oder Café? Aber eigentlich ist das doch wie ein Theater oder auch so was wie ein Nachbarschaftstreff oder generell wäre ja weiterhin Kunst und Kultur schön, das tut doch dem Viertel gut! Ein Raum in den man reingehen kann und auch noch einen guten Input mitnimmt ohne dass man etwas konsumieren muss. Und wenn die Kuratorin mal wieder in die Rolle der Sozialarbeiterin gerät geht es oftmals um die Parkplatzproblematik in der Donnersbergerstraße, das Ladensterben im Allgemeinen und die Angst vor dem Verlust der eigenen Wohnung. Das Kunsthaus Raab hat in den letzten Wochen einigen Ansporn und Anstoß gegeben mitzureden und dies wurde in mancherlei Hinsicht für die Verantwortlichen auch mal unangenehm bis schwierig. Es ist eine gewisse Gratwanderung, die einiges an diplomatischem Geschick erfordert, um einen Raum wie diesen möglich zu machen und man will und sollte nicht in irgendwelche politischen Ecke geraten, man will anregen und auch auf das Thema der Mieterinitiative (www.baugenossenschaften-erhalten.de) aufmerksam machen – anstoßen aber nicht negativ aufstoßen. Es wäre jetzt aber auch keine gute Lösung hier nur Blümchenbilder auszustellen um Schönwetter zu machen oder um so zu tun als wäre alles in Ordnung, denn es ist nun mal nicht alles in Ordnung, hier wird unter anderem um den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum gekämpft.

Wegen dieser und einiger anderer Themen gab es in und um den Raab herum doch einige Aufreger. Das Kunsthaus wurde im positiven Sinne verglichen mit einer Factory in New York oder eher negativ konnotiert mit Zuständen wie in der Bronx vor 30 Jahren mit einem womöglichen Broken Windows Effekt. Allem voran steht vielleicht auch eine gewisse Unsicherheit der Sache gegenüber. Was wollen die da im Kunsthaus Raab, was hat das mit Kunst zu tun? Um darüber im Kleinen aufzuklären: Die Kunst ist gerade in dieser Zeit eines der höchsten Güter die wir haben, Kunst bedeutet freie Gedanken und freie Ideen. Nach der Kunst hat keiner gefragt, sie hat keinen Auftraggeber und somit auch kein Maß, man kann nicht sagen: Alles richtig gemacht, Auftrag erfüllt und man kann nicht sagen: Das da hinten stimmt aber noch nicht, bitte noch mal nacharbeiten. Das macht die Kunst so schwer greifbar und da man sie, wie alles andere auch, nicht mit einem Satz erkären kann, muss man sich mit ihr befassen, so wie man auch eine Sprache erst mit der Zeit erlernt oder wie man ein technisches Gerät vielleicht auch erst versteht, wenn man es auseinander nimmt und sich jedes Teil und dessen Zusammenhang im Einzelnen anschaut. Kunst ist ein Freiraum und so etwas wie das Projekt Kunsthaus Raab gibt es in einer Stadt wie München eher selten, in einer Stadt in der jede Nacht die Gehwege gewaschen werden, da kann es einem schon mal komisch und dreckig vorkommen wenn ein paar Flyer im Wind vorbei wehen. Letzlich lässt sich natürlich über die Kunst streiten und ob diese Gelungen ist oder nicht liegt unter anderem auch im Auge des Betrachters.

Nach vier Wochen Verhandlungen, diplomatischen Gratwanderungen, viel Überzeugungskraft bei Förderern und Verantwortlichen, harten Nerven bei der täglich eintrudelnden E-Mail Flut voller Anfragen, Anliegen und Ansprüchen lohnt es sich ein erstes kleines Fazit zu ziehen: Einen Raum wie diesen zu inszenieren ist schön, macht aber auch viel Arbeit (um es mit Karl Valentin zu halten). Wenn man nicht Talente in alle Richtungen hat und nicht gleichzeitig zehn verschiedene Berufsbilder ausüben kann, dann sollte man solch ein Projekt lieber nicht angehen, es sei denn man hat zehn Angestellte dafür. Und es lohnt sich, gleich am Anfang ein paar ordentliche Stiefel anzuschaffen, damit man den gelegentlich etwas steiniger werdenden Weg auch gut meistern kann.



Vor circa zehn Jahren gab es in der Lindwurmstraße rund um den Goetheplatz mal einen älteren Mann den man manchmal um den Block wandern sah. Er trug stets ein bis zwei Gemälde oder andere Kunstobjekte mit sich herum und er hatte immer eine kleine weiße Fahne in der Hand. Mit dieser wedelte er an den Hausecken nach vorne bevor er um die Ecke ging, so als würde der Feind hinter dieser Ecke warten und er könne damit signalisieren, dass er in Frieden kommt. Zu dieser Zeit habe ich mich immer gefragt, was es mit seinen Kunstobjekten und mit der Friedensfahne auf sich hat. Heute nach vier Wochen Kunsthaus Raab weiß ich es! Es ist total logisch: Wenn man sich mit Kunst so todesmutig wie dieser Mann in die Öffentlichkeit wagt, dann lohnt es sich immer gleich eine Friedensfahne bei sich zu tragen um der Außenwelt zu signalisieren, dass man in Frieden kommt, das macht einfach total viel Sinn!

In diesem Sinne, hoch die Tassen und auf eine nächste Runde Kunsthaus Raab!
Diesmal mit vielen Schmankerln aus dem Viertel.

 

Es grüßt,
Eure Wirtin

 

PS: Wir danken der Baugenossenschaft des Eisenbahnpersonals München West wirklich sehr für das entgegengebrachte Vertrauen in unser Schaffen und den Mut diesen Raum möglich zu machen, solche Freiräume sind leider sonst viel zu selten!

PPS: Wir freuen uns, wenn Sie als Besucher ihr Feedback gerne auch direkt an die Baugenossenschaft weiter geben damit nicht nur wir hier an der Front von Ihren Ideen und Anregungen erfahren.

 

 

Schaufenster im September: Emanuel Mooner L(OVER) 2018, Foto: Gabi Blum

 

 

Erste kleine Eröffnung im Kunsthaus Raab

München, 9. September 2018

Das Szenario der ersten Inszenierung im Kunsthaus Raab wirkt ein wenig wie das Ende der Eröffnungsfeier eines Autohändlers. Draußen flattert silbernes Lametta, drinnen hängen Wimpelketten etwas leblos von der Decke und seltsam derangierte Kunstobjekte liegen am Boden. An den Wänden hängen Masken, die wie Gesichter aus den Wänden kommen, dekorierte Capes, Perücken, Hüte und am Eingang wird man von zwei Köpfen begrüßt, einer aus Bauschaum mit abgebrochener Nase am Boden liegend, der zweite von der Decke baumelnd wie ein Gespenst. In der einen Ecke steht ein Paar große Ohren, in der anderen drei träge Riesenbierflaschen und im Schaufenster ein Turm der sich scheinbar am Stahlträger anlehnt. Schweremüde wirken die Objekte, die teilweise viel zu groß sind für den Raum und in keinem wirklich passenden Verhältnis mehr zum Menschen stehen. Die Staffelei in der Mitte stößt fast an der Decke an, die dazugehörigen Farbtuben wirken als wären sie auf der Flucht vor ebendieser. Daneben ein normalgroßer Wirtshaustisch mit ein paar Stühlen dazu, einer davon ist umgefallen. Man hat den fast schon vergessenen Mief in der Nase, der rauchgeschwängert in den Klamotten und Haaren hängt, wenn man morgens nach so einem Feste aufwacht. Und ganz vorne steht ein riesiger gelber Putzsschwamm auf dem man sitzen darf um sich die vermeintliche Video Dokumentation des vergangenen Kunst Happenings anzuschauen.

So oder so ähnlich geht sich das Kunsthaus Raab an. Gabi Blum bespielt diesen, im Rohzustand befindlichen Ladenraum bis Ende des Jahres mit Kunst und Paulina Nolte steht als Assistentin zur Seite. Ehemals Schuhhaus und zuvor Wirtshaus war der Raab schon immer ein Urgestein der Donnersbergerstraße. Als Wirtshaus liebevoll Wiba (Wittelsbacher Bierhalle) genannt, ist das Flair auch heute noch spürbar. Die alte Stuckdecke ist wieder zu sehen, nachdem alle Einbauten des Schuhhaus Raab rausgerissen wurden. Demoliert schaut die Decke aus, fast wie Einschusslöcher wirken die angebohrten Verletzungen. Die Zwischennutzung in diesem Raum ergibt sich aus der günstigen Fügung heraus, dass der Laden gerade leer steht und zusammen mit der Mieterinitiative www.baugenossenschaften-erhalten.de, die sich im Juni 2018 gründete um den Erhalt der Baugenossenschaft zu sichern, macht Blum Kunst zum Mittel und trägt als erste Aktion mit der SPD Politikerin Diana Stachovitz und mit Bewohnern der Genossenschaft die Leinwände ins Raab mit denen sie im April schon zusammen mit Anna McCarthy das Olympiastadion besetzte. „Ihr kriegt uns hier nicht raus“ steht in einfachen Lettern auf den an Demobanner erinnernden Leinwänden. Zusammengefügt ergeben sie ein Haus, welches durch einen Turm ergänzt, von mehreren Protagonisten durch den Olympiapark und in das Stadion hineingetragen wurde. Im Raab standen die Leinwände den Sommer über in den Schaufenstern um neben den Aushängen der Mieterinitiative auf die Schwierigkeiten der Genossenschaft bei den Ankäufen der Erbpachtgrundstücke aufmerksam zu machen. Die Genossenschaft machte den Raum frei für mehr Kunst und Gabi Blum stellt für den Herbst ein Programm zusammen, dass sich mit eben dieser Problematik und den vielen damit verknüpften Themen beschäftigt: Leerstand, Raumnutzung, Formen des Widerstands, Arbeit im Kollektiv, die Nutzung von öffentlichen und nichtöffentlichen Räumen und immer mit der Frage im Hinterkopf: Wem gehört die Stadt?

Das Programm für den Raab wird auf der Webseite www.kunsthausraab.de einsehbar sein, ein tagesaktueller Kalender soll zudem auch kurzfristige Ankündigungen oder spontane Öffnungen kommunizieren. Das Konzept für den Raab ist sehr intuitiv, denn der Raum lädt alleine wegen seiner Größe zum spielen und ausprobieren ein, das Motto: Einfach alle einladen die thematisch passen, Projekte ausstellen die bisher viel zu wenig beachtet wurden, Retrospektiven von Kollektiven die gerade erst anfangen zu arbeiten oder auch Vorträge über längst vergangene Projekte und Experimente sollen hier statt finden. Und in der Mitte muss ein Wirtshaustisch stehen, das war von Anfang an klar. Auf Holzböden, echten gebrauchten miefigen Zeltholzböden. Hier sollen sonntägliche Frühschoppen mit Kunstbetrachtung abgehalten werden, hier soll man sich treffen, austauschen und dikutieren. Der Tisch, geliehen vom Hofbräuhaus, die Stühle aus dem längst geschlossenen Wirtshaus Zum Wolpertinger aus Obermenzing, der schwere Vorhang auf der Bühne aus dem zugesperrten Atlantis Kino. Alles soll geliehen oder gebraucht sein, aus Räumen die es nicht mehr gibt, auch das ist die Thematik – das Verschwinden und Vergessen und die sich ständig wiederholende Geschichte.

Die erste Ausstellung also rollt die Geschichte von hinten auf. Wir beginnen am Ende und Emanuel Mooner hängt vier Neonbuchstaben im Schaufenster auf: OVER. Buchstaben von einem Schriftzug der nicht mehr gebraucht wurde, neu kombiniert mit einer sehr passenden und hoffentlich nie eintretenden Nachricht für den Ort, dass hier bald alles vorbei sein könnte? Die Buchstaben sind so aufgehängt, dass die neuen pulverbeschichteten Oberflächen zum Innenraum schauen und die offenen Neonröhren nach draußen leuchten, die dreckigen Aussenseiten wurden imprägniert damit der Schmutz nicht abfallen kann.
Gabi Blum will im Kunsthaus Raab Kunst anhäufen, noch ist es relativ überschaubar, doch bald soll sich das ändern. Der Raum wird sich kontinuierlich füllen, je länger es geht desto voller wird es. Ab 11.9. sollen die Top 3 Gewinner des -iV Kunstpreis zu sehen sein, den Blum mit juriert. Der Preis wird von Studenten der Klasse Olaf Metzel ausgerufen und prämiert gescheiterte Kunstwerke. Die Studenten haben dafür einen leerstehenden Ladenraum im Untergeschoss der Münchner Freiheit bekommen den sie im September bespielen können. Auch wieder Leerstand und Zwischennutzung.

Die Arbeit der Klasse Markus Oehlen hat Blum direkt von der Jahresausstellung weg „gekauft“, eine Art Musical wurde dort inszeniert. Übergroße Pappmasche-Bierflaschen und Kippenstummel schmückten den Raum, dazu riesige Köpfe oder wahlweise Augen auf den Performern die sich zu einem geschrabbtem elektronischem Soundteppich bewegten. Die Fragmente zur Performance sind jetzt im Raab zu sehen. Dazu das Video der Performance deren Skript in etwa so formuliert war: „Die Unterschiedlichkeit aller hier drin bedarf eines gigantischen Ausbruchs des ultrariesigen Potentials an Kreativität. Die Grausamkeit der hier nachhallenden Worte der Kritik, die Angstzustände des Nichts-Könnens, des Versagens, das Erträumen von der Möglichkeit des vielleicht doch, und die Möglichkeiten dieser riesigen „Spielwiese“ soll hier, in diesem Musical „Die Kpnbrgsche Unterhose“ zum Ausdruck gebracht werden.“ Markus Oehlen wollte, dass seine Klasse zur Jahresausstellung nichts Verkäufliches zeigt und Blum rief zwei Tage zu spät an, die Objekte waren schon halb verschrottet, aber die Oehlens restaurierten ein wenig. Vielleicht ist auch genau das das Konzept vom Kunsthaus Raab, der Kunst die sonst verschwinden würde ein Zuhause zu geben und relativ spontan die Sammlung erweitern zu können. Eine Art Disneyland soll entstehen, nichts soll fest stehen, alles verschiebbar sein. Der Baustellencharakter wird über den gesamten Zeitraum erhalten bleiben und am Ende wird sich alles mischen, also dann wenn wir am Anfang sind. Es wird keine Umbaupausen geben, sondern es wird einfach stetig hinzugefügt und alle können dabei zuschauen. Im Oktober zu den Kultüren wird sich eine Gruppenausstellung mit fast 20 Neuhauser Künstlern dazu gesellen, ab dann wird es voll. Dazu kommen Workshops für Kinder, Filmscreenings, Vorträge, Buchpräsentationen und Künstlergespräche.

Diese erste Ausstellung wird durch eine Bildershow der Neuhauser Geschichtswerkstatt ergänzt. Fotos vom alten Wirtshaus, ein lustiges Faschingsfoto von 1925 und ein paar Hausansichten zeigen wie es vor ein paar Jahrzehnten aussah. Die Donnersbergerstraße war übersäht mit Bierhallen, als die Eisenbahner dort Häuser für ihre Angestellten bauten und als es Wörter wie Leerstand oder Zwischennutzung noch nicht gab. So fing es hier an und nach den Wirtshäusern kam Konsum: Schuhe, Jeans, Nippes. Heute gibt es Fahrradläden, die Vorboten der Gentrifizierung, sowie Cappuccino, Wein und Massagen. In Zeiten von Onlineshopping und Lieferservice sterben die Geschäfte. Wie kann man weiteren Leerstand verhindern? Die Donnersbergerstraße ist Parade Beispiel, eine Straße zum flanieren, breit, mit vielen Bäumen, Bänken und Parkplätzen. Trotzdem schließen immer mehr Geschäfte. Auch darauf versucht das Kunsthaus Raab Bezug zu nehmen und will mit den umstehenden Geschäftstreibenden zusammenarbeiten. Es unternimmt den Versuch alles in direkter Nachbarschaft zu erledigen, die Raab Flyer werden im Copyshop um die Ecke gedruckt, Farben und anderes Material beim Kolbeck gegenüber geholt, das Rahmen Center in der Schulstraße spendiert eine Rahmung für das Bild vom Wirt und daraus entsteht die gemeinsame Ausstellungsidee nie abgeholte Bilder aus dem Rahmenladen auszustellen.

Das Kunsthaus Raab soll Treffpunkt für die Nachbarschaft sein, ein Ort zum Austausch und vorallem soll er gute Kunst nach Neuhausen bringen. Verweilen kann man jetzt vor allem sehr entspannt im Schaufenster auf einem bunten Liegestuhl mit Kopfhörern. Dort hat Rebecca Erin Moran ihre hypnotische Soundarbeit platziert. Im Fenster liegend, der Tonspur lauschend, den Flanierenden zusehend während sie in den neuen Raab rein schauen. So oder so ähnlich ist das jetzt in in der Donnersbergerstraße 15.

 

Es grüßt,
Eure Wirtin

 

Und nicht vergessen: Kauft beim Nachbarn, sonst gibt es ihn bald nicht mehr!

 



Schaufenster im August 2018: Demowände zur Olympiastadionbesetzung vom 30.4.2018, Foto: Gabi Blum